Edition 01 "Ferngespräch"

Unsere Fragen kreisten dabei um das Thema "Ferngespräch" und die Möglichkeiten, wie die eigene künstlerische Sprache zu einem gemeinsamen Ausdruck finden kann. Verschiedene Kriterien, Charaktere und Geschmäcker spiegeln sich in Oberfläche, Form, Farbe und im Verhältnis zueinander, wieder. 

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Ein Ferngespräch. An der Wand. Ohne Laute, Worte, Akustik. Ohne Telefon, Wählscheibe, Fernamt.

Ohne Fern, ohne Gespräch- ist das ein Ferngespräch?

 

In einer Zeit, in der sowohl der Begriff, als auch der Akt des Ferngesprächs, an Bedeutung verloren haben, da durch Mailen, Chatten, Skypen, die geografische Distanz und die verschiedenen Zeitzonen überwunden scheinen, mutet das Ferngespräch anachronistisch und nostalgisch an. In einer Welt, in der die Menschen mehr denn je technologisch miteinander verbunden sind, fehlt die Resonanz des Fern- völlig. "Wir haben die Distanz überwunden." - sagen die letzten Menschen und blinzeln. Die Erde ist dann klein geworden, das Ferngespräch überflüssig. Und doch scheint die Überwindung der Distanz eine illusorische zu sein, das Ferngespräch aktueller denn je, denn: die Stimme des Anderen kommt immer aus der Ferne. Ist somit jedes Gespräch ein Ferngespräch? Ein Versuch, Distanzen zu überwinden und Austausch zu ermöglichen?

 

Bei unserer Werkreihe haben wir es mit einem Ferngespräch zu tun, welches sich optisch und nicht akustisch darbietet. Die beteiligten Künstler interpretieren den Begriff des Ferngesprächs individuell und in je eigener Ausdrucksform.

So nimmt Stefan Ostler zwei unauffällige Dosen von Würstchenherstellern, um daraus eine Erzählung über die ganz großen Dinge zu machen: der Höhepunkt der Krise zwischen Merkel und Seehofer in der Flüchtlingsdebatte. Seine Stichworte lauten: Fehler, missing link, unterbrochen, unmöglich, Bayern, Preußen.

 

Auch Britta Frechens Konstruktion lehnt an die preußische Zeit an: Ihre Arbeit ist ein Profil der Flitternder Telegrafen-Station, Teil des preußischen optischen Telegrafensystems, welches Berlin mit der Rheinprovinz verbunden hat.

 

Jasmin Hantls biomorphes Gebilde, entstanden durch den Abguss einer Fleischtomate, wird im Kontext des Themas zu einer Hörmuschel, welche auf Kommunikation verweist. Andererseits spielt es auf Pflanze und Erde, Wirken und Wachsen an und erinnert damit an das Leben, das uns jeden Tag zum Gespräch einlädt.

 

Das Werk von Anja Kreitz ist von figurativer Abbildung geprägt, da im Zentrum ihrer Arbeit der Mensch als das wichtigste Kommunikationsmittel fungiert. Dafür lässt sie sich von Agnes Martin inspirieren und verbindet mehrere Materialien miteinander: Schlagmetall, Bindfäden und Plexiglas. Die beiden Gesichter schweben stilisiert, ihrer Körper beraubt, vor einer pulsierend roten Fläche, währen die Raumdetails sich im Plexiglas spiegeln. Sie werden reden, miteinander, dem Betrachter, der Umgebung, oder auch nicht. Aber eines ist sicher: sie werden die Zeit überdauern.

 

Gabi Tautorats' "Twisted Pair" spielt mit einem Begriff aus der Telekommunikation- bzw. Nachrichtenübertragungstechnik. Er bezeichnet Kabeltypen, in denen die Adern paarweise miteinander verdrillt sind und so einen besseren Schutz gegenüber elektrischen und magnetischen Störfeldern bieten.

 

Hologramm bedeutet Botschaft, Speicherbild. Ana Gropp-Kondićs silberne Hologrammstammfolie, eingerahmt von weißem Passepartout, nutzt ihre lichtbrechenden Eigenschaften, um durch Bewegung und Lichteinfall neue Farbsprektren zu erzeugen. Es entsteht eine Zweierdynamik, die vom Betrachter gesteuert wird, da ohne sein Zutun, kein Farbspiel entstehen kann.

 

In René Sikkes' Werk "nonsimplex" scheint die Kommunikation fehlgeschlagen. Ein Buch kommuniziert durch die Zeit, in eine Richtung, verbindet eine Person mit vielen. Sein Buch dagegen schweigt, enthüllt nichts: keinen Autor, keine Worte, keine Botschaft. Die Leere als Fülle von Möglichkeiten.

 

Die indirekten Bezüge zwischen den Arbeiten erzeugen derweil neue Ferngespräche. Bei der Betrachtung findet ein Wechselspiel von Rezipient und Arbeit statt. Es entsteht ein Kontakt, eine spannungsgeladene Situation, eine Schwelle zwischen Anspruch und Antwort, die zugleich verbindet und trennt. Die Bruchstellen in der Kommunikation, erzeugt durch räumliche Abstände zwischen den Arbeiten, Abstraktion oder ein psychisches Innehalten beim Betrachten, beinhalten mögliche Wendepunkte, die analog zum Ferngespräch ein Gespräch mit dem eigenen Selbst verursachen. Die eigene Wahrnehmung steigert sich bis zu einem Scharfsinn, der körperlich zu spüren ist. So sind Bruchstellen ein probates Mittel um Atem zu schöpfen, auch die klassische Rhetorik nicht ohne ein bewusstes Einsetzen von Pausen auskommt. Abschließend bleibt noch zu bemerken:

 

Ohne Fern, ohne Gespräch- gerade das ist ein Ferngespräch!

 

April 2019, Ana Gropp-Kondić // Auflage 7 Stück